20. October 2014 - 13. February 2015
Venue: Seminarraum des Imre Kertész Kollegs Jena, Leutragraben 1, 14. OG
Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bedeutete für Russland eine beispiellose Gewalterfahrung, der viele Millionen Menschen zum Opfer fielen. Neben dem Krieg gegen Japan 1904/ 05, den beiden Weltkriegen und dem Bürgerkrieg 1917-21 ist hierfür vor allem das Vorgehen des sowjetischen Staates gegen die eigene Bevölkerung verantwortlich. Emblematisch für den Begriff Stalinismus und die mit ihm verbundenen historischen Erfahrungen stehen die Zwangsindustrialisierung des Landes, die Vernichtung der russischen Bauernkultur durch die Kollektivierung der Landwirtschaft, die Errichtung eines weitverzweigten Netzes von Arbeits- und Straflagern (GULag), Massendeportationen größerer Bevölkerungsgruppen und der 'Große Terror' der Jahre 1937/ 38 mit seinen Verhaftungswellen und Massenerschießungen. Gleichzeitig ist die Epoche geprägt von Fortschrittsgläubigkeit, Aufbauwillen und dem Sieg über Deutschland im Zweiten Weltkrieg, der - aus der Sicht des Regimes - Gewalt und Unterdrückung zu rechtfertigen schien.
Anhand von zentralen Quellen, die alle in Übersetzung vorliegen, soll das Seminar eine vertiefende Annäherung an die Ereignisgeschichte leisten, dabei Grundfragen der Forschung problematisieren und einen Ausblick auf die Bedeutung der Epoche in der russischen Erinnerungskultur versuchen. Russische Sprachkenntnisse sind nicht erforderlich, aber sehr willkommen!
Einführende Literatur: Manfred Hildermeier: Die Sowjetunion 1917-1991, München 2001, besonders S. 1-72 und 103-147; Hans-Heinrich Nolte: Kleine Geschichte Rußlands, Bonn 2006, S. 210-297; Hans-Joachim Torke: Einführung in die Geschichte Rußlands, München 1997, S. 113-234; Sheila Fitzpatrick: Everyday Stalinism: Ordinary Life in Extraordinary Times. Soviet Russia in the 1930s, New York/ Oxford 1999.